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Das richtige Zügelmaß – für Warmblut, Pony & Co.

von Anne Schmatelka
2 Kommentare

Was ist das richtige Zügelmaß? Wie lang soll der Zügel in Schritt, Trab und Galopp sein? Wie in der Versammlung? Welches Zügelmaß ist für die Verstärkung geeignet? Welches beim Reiten verschiedener Lektionen? Gibt es dabei Unterschiede? Wer kennt nicht die Aussage des Ausbilders, der quer über den Platz ruft: „Nimm doch endlich mal die Zügel kürzer!“

Das richtige Zügelmaß?

Wenn ich an meinen eigenen früheren Reitlehrer zurückdenke, hat auch er immer über meine ‚langen Fahrleinen‘ geschimpft und ich wusste nicht, woran man das richtige Zügelmaß erkennt! In der alten Literatur findet man den Satz: „Ein Vorlassen des Halses muss immer gestattet werden!“ Wie vereinbart sich das mit der Aufforderung vieler Ausbilder, dass man den Zügel kürzer fassen muss? Wie kurz eigentlich? Was ist richtig? Wann ist der Zügel zu kurz und welche Auswirkungen hat das?

Wie bei vielen Fragen im Reitsport ist man auch mit dieser grundsätzlichen Frage immer wieder konfrontiert und wenn man darüber nachdenkt, fällt einem auf, dass man eigentlich gar nicht weiß, was wann richtig ist! Wenn ich heute bei meinen Lehrgänge mit meinen Schülern spreche ist eine meiner Hauptaussagen: „Lass bitte den Zügel länger! Läääänger – noch länger!“ Denn nur, wenn man dem Pferd ein Vorlassen des Halses gestattet, kann es sich loslassen.  Das aber natürlich nur, wenn Sitz und Einwirkung korrekt sind. Ohne das, hilft das richtige Zügelmaß leider auch nicht…

Der Sitz und die Zügellänge …

Die Zügellänge ist dann richtig, wenn der Reiter korrekt im Schwerpunkt sitzt. Die Oberarme entspannt herab hängen können und man eine gerade Linie vom Ellbogen zum Pferdemaul zeichnen kann und wenn das Pferd den Hals nach vorne dehnen kann, so dass die Nase bei korrekter Anlehnung an der Senkrechten ist. Die Nase an der Senkrechten ist zwar eines der Kriterien für richtiges oder falsches Reiten. Die Nase des Pferdes kann allerdings an der Senkrechten sein und trotzdem ist es nicht richtig, wenn der Zügel zu kurz ist, da der Reiter die Arme vielleicht nach vorne streckt oder die Fäuste zu hoch trägt oder die Einwirkung auf anderer Ebene fehlerhaft ist.

Im Schritt …

Im Mittel- und Starken Schritt soll sich das Pferd vorwärts-abwärts, Nase Höhe Buggelenk an die Hand herandehnen. Dabei sollte der Zügel so lang sein, dass die Nase an der Senkrechte ist und das Pferd den Hals vorlassen kann. Ein Vornehmen des Halses ist aber nur dann richtig, wenn die Anlehnung konstant ist, das Pferd das Gebiss annimmt. Der Reiter sollte der Nickbewegung des Pferdes aus dem Ellbogen heraus folgen, ohne – wie man es heute sehr oft beobachten kann – mit dem Becken nach vorwärts und rückwärts zu schieben oder mit den Armen übermäßig zu rudern. Dadurch wird der Schritt weder raumgreifender noch fleißiger. Viele Pferde verspannen sich dabei. Ehrlich loslassen können sie sich oft nicht mehr.

Nur wenn man das Pferd im Schritt nicht stört, der Zügel die ausreichende Länge hat, der Reiter korrekt im Schwerpunkt sitzt, das Zusammenwirken der Hilfen funktioniert, dann kommt das Pferd zum Schreiten, der Schritt ist fleißig und geregelt, ein klarer Viertakt. Ein zu kurzer Zügel führt zu Verspannungen und zu Verlust der Qualität der Grundgangart Schritt. Raumgriff und allzu oft auch reiner Takt gehen verloren! Der Schritt wird passartig.

Als die H.Dv.12/1937 geschrieben wurde, hat man die Remonte im Schritt grundsätzlich mit hingegebenem Zügel geritten, um das Pferd beim Schreiten nicht zu stören und das weiter gerittene Pferd wurde die meiste am langen Zügel geritten. So konnten sie sich loslassen.

„Es sollte noch heute unumstößlicher Grundsatz sein: Am langen Zügel – für gut und richtig gerittene Pferde die längste Verbindung mit dem fallen gelassenen Hals zwischen Reiterhand und Pferdemaul bei nachgegebenem Genick. Alle Pferde (besonders ältere) sollten öfter im Mittelschritt am langen Zügel geritten werden, Zügel deutlich länger, um bei senkrechtem Oberarm aus dem Ellbogengelenk die erforderliche Nickbewegung von Kopf und Hals des Pferdes zuzulassen, um das nachgegebene Genick an der Senkrechten zu halten.“ (Paul Stecken)

Beim Zügel aus der Hand kauen lassen im Schritt:

Die Nase muss dabei soweit vorgelassen werden, dass beim Zügel herauskauen lassen man nur noch die Schnalle in der Hand hält.

Im versammelten Schritt ….

Im versammelten Schritt soll das Pferd aufgrund der Versammlung mit den Hinterhufen nicht weiter als in die Spur der Vorderhufe treten, also nicht darüber hinaus. Das Genick ist dabei der höchste Punkt. Der Zügel ist im versammelten Schritt deutlich kürzer, als in Mittel- oder starkem Schritt.

Im Trab …

Im Arbeitstrab soll der Zügel so lang sein, dass das Pferd mit der Nase an der Senkrechten, Genick der höchste Punkt, den Rücken hergegeben bei korrekter Anlehnung, aktiv abfußend und schwungvoll vorwärts traben kann.

Das Zügelmaß ist dann richtig, wenn der Reiter dabei richtig sitzend, die Ellbogen am Oberkörper, den Oberarm senkrecht herunter hängend, am Oberkörper entspannt anliegend, die Fäuste so aufgestellt hat, dass es eine gerade Linie vom Ellenbogen bis zum Pferdemaul gezogen werden kann. Wie bei allen Übungen und Lektionen und in allen Grundgangarten muss das Handgelenk dabei locker sein, denn nur dann kann man alle zwei bis drei Tritte eine Halbe Parade am äußeren Zügel geben, die mit einem gefühlvollen Nachgeben der innere Hand enden sollte.

Bei den Verstärkungen

Im Mitteltrab und im Mittelgalopp sollte der Zügel kürzer sein als im Mittelschritt. Der Hals jedoch deutlich vorgelassen, damit eine Rahmenerweiterung möglich ist. Dabei muss der Reiter sicher im Schwerpunkt sitzen und die Halben Paraden alle zwei bis drei Tritte oder Sprünge geben. Es ermöglicht dem Pferd das Nachgeben im Genick. Der oft etwas stramme und auch etwas zu kurze Zügel ist Mitursache, dass man kaum noch eine korrekte relative Aufrichtung sieht.

Man sieht es heute sehr oft, dass Reiter in den Verstärkungen die Arme nach vorne strecken. Das besonders dann auf, wenn sie sich in den Verstärkungen mit dem Oberkörper nach hinten lehnen und mit den Oberschenkeln klemmen. Die Arme vorzugeben und den Arm ggf. vorzustrecken bedeutet, dass man sich in der Schulterpartie verspannt. Das führt dazu, dass man nicht mehr losgelassen in der Bewegung mitschwingen kann, da man sich durch die verspannte Schulterpartie in der Folge auch im Rest des Körpers verspannt. Der Reiter kommt nicht mehr zum Sitzen und zum Treiben.

Zügel aus der Hand kauen lassen im Trab

Beim Zügel aus der Hand kauen lassen muss der Zügel so lang sein, dass sich das Pferd vorwärts-abwärts dehnen kann. Auch dabei gehört die Nase an die Senkrechte. Wenn das Pferd das Gebiss annimmt, ohne sich dabei auf die Hand zu stützen. Man kann es sich zur Regel machen, dass der Zügel so lang sein muss, dass sich die Nase an der Senkrechten befindet. Das ist nur richtig, wenn die Anlehnung konstant ist. Das Pferd mit den Hinterbeinen fleißig abfußen kann. Man verspürt dann ca. 2,5kg Gewicht auf jedem Zügel, das Pferd geht in korrekter relativer Aufrichtung und der Reiter kommt zum Sitzen und zum Treiben. Das Pferd gibt den Rücken her.

Ein harter Wurf, Unterschenkel, die beiden jedem Trabtritt weit vom Körper abschwingen oder auch ein klopfender Schenkel sind Hinweise, dass das Pferd nicht logelassen ist. Das liegt nicht selten am falschen Zügelmaß. Darüber hinaus oft auch an Sitz- und Einwirkungsfehlern.

Wenn der Zügel durchhängt, eine konstante Anlehnung nicht mehr gegeben ist, dann nimmt das Pferd das Gebiss nicht an, gibt den Rücken nicht her. Das Hinterbein fußt nicht aktiv ab. Das Pferd verspannt sich. Ein fleißiges Vorwärtsreiten, damit sich das Pferd wieder vom Gebiss abstoßen und es annehmen kann ist dann notwendig. Das muss jedoch dosiert erfolgen, damit das Pferd nicht eilig wird. Halbe Paraden müssen alle zwei bis drei Tritte gegeben werden, damit das Pferd den Schub aus der Hinterhand wieder entwickeln kann. In Momenten, wo sich das Pferd hinter dem Zügel verkriecht, die Zügel immer kürzer zu nehmen und in einem sehr ruhigen Tempo zu reiten, ist genau der falsche Weg.

Ein Pferd kann sein Gebiss immer nur dann annehmen und sich davon abstoßen, wenn der Schub aus der Hinterhand gegeben und der Takt sicher geregelt ist. Das Pferd losgelassen und durchlässig ist, die halben Paraden annimmt.

Im Galopp …

Der Galopp des Pferdes hat das größte Bewegungsausmaß. Vielen Reitern fällt dann eine Verspannung nicht sofort auf, die unter anderem auch durch ein falsches Zügelmaß entstehen kann. Vor allem dann, wenn das Pferd mit einem schwungvollen Bewegungsablauf und einer entsprechend großen Übersetzung ausgestattet ist.

Ob im versammelten, im Arbeits-, Mittel- oder starken Galopp. Die Nase muss auch hier immer an der Senkrechten sein. Das Genick der höchste Punkt. Bei der Galoppverstärkung ist ein Vorlassen des Halses wichtig, denn nur dann ist eine entsprechende Rahmenerweiterung möglich. Ein zu kurzer Zügel führt auch hier zu Verspannungen. Das Pferd kann keine Rahmenerweiterung zeigen. Bei den Galoppverstärkungen kann bei richtiger Armhaltung dann aus dem Ellbogen vorgeben oder das Zügelmaß verlängern.

Beim Zügel aus der Hand kauen lassen ist die Dehnung in die Tiefe mit der Nase an der Senkrechten wichtig, da das Pferd nur dann zu ehrlicher Losgelassenheit kommen kann. Nur wenn der Zügel die korrekte Länge hat und je nach Übung und Lektion so ausgerichtet sind, dass ein Vorlassen des Halses immer gestattet ist, nur dann kann sich das Pferd ehrlich loslassen und den Rücken hergeben.

Das ist nicht einfach und man wird sich allzu oft dabei ertappen, dass das Zügelmaß nicht stimmt. Je tiefer man in die Materie einsteigt, umso komplexer wird es und umso mehr stellt man fest, das oft „Kleinigkeiten“ über Richtig oder Falsch entscheiden. Aber wie war noch gleich der so herrliche Satz von Dr. Udo Bürger?

„Reiten ist so lange nicht schwierig, solange man nichts davon versteht!“

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2 Kommentare

Grimm 18. Juli 2016 - 13:06

Vielen Dank für Ihren Beitrag.
Ich möchte allerdings darauf hinweisen: wenn man den Zügel aus der Hand kauen lässt und nach vorne fällt oder entlastend sitzt geht das immer auf die Vorhand des Pferdes.
Liebe Grüße
Sarah

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Barbara 18. Juli 2016 - 13:33

Danke für den interessanten Artikel über die richtige Zügellänge.
Sehr eindrucksvoll finde ich das Foto mit dem demonstrierten krummen Rücken, weil es gut veranschaulicht, wie die korrekte Gesäss Einwirkung nicht mehr gegeben ist.

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