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Boulonnais

von Frederieke Wenning
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Kraftvoll, elegant und leistungsstark – wenn ein Boulonnais beschrieben wird, so finden gerade diese drei Attribute besonders häufige Verwendung. Die Kaltblutrasse aus der Picardie im Nordwesten von Frankreich hat schon so manchen mit seiner erstaunlichen Anmut verzaubert. Trotz ihrer Schönheit und ihrem ausgeprägten Arbeitswillen waren die Boulonnais bis vor kurzem vom Aussterben bedroht. Sie gehören bis heute zu den seltensten Pferderassen der Welt.

Wichtige Daten im Überblick

  • Ursprung: Picardie im Nordwesten von Frankreich
  • Hauptzuchtgebiet: Besonders im Nordwesten Frankreichs
  • Verbreitung: ca. 6200 Tiere gibt es weltweit, vor allem in Frankreich
  • Stockmaß: 150-180 cm
  • Gewicht: 600-900 kg
  • Erscheinungsbild: Kräftig und elegant, der Kopf ist leicht orientalisch gewölbt anmutend ähnlich eines Vollblüters, gut platzierter Widerrist, hoch angesetzter Schweif
  • Farben: hauptsächlich Schimmel, seltener Füchse und Braune
  • Einsatzgebiete: Zug- und Arbeitspferd, Freizeitpferd, Mastpferd

Zuchtgeschichte und Ursprung – der Boulonnais stammt aus dem Norden Frankreichs

Der Ursprung der Rasse Boulonnais liegt in der Picardie, einer Region im Norden Frankreichs, wo Kaltblüter bereits seit dem 14. Jahrhundert als Kriegspferd eingesetzt wurden. Im Laufe der Jahrhunderte haben andere Pferderassen Einfluss auf die Entwicklung des Boulonnais hinschlich seiner äußeren Erscheinung und des Interieurs genommen. Im Mittelalter wurden spanische Rassen eingekreuzt, die ihre Gesundheit, Einsatzfreude und körperlichen Merkmale vererbten. Intelligenz und Adel gehen vermutlich auf den Araber zurück. Daher trägt die Rasse heute orientalisches Blut in sich, wie auch der Percheron, eine weitere französische Kaltblutrasse, dem der Boulonnais sehr ähnelt. Beide Typen der Kaltblutrasse entstanden schließlich im 17. Jahrhundert, zum einen der schwere und große Typ, der als Arbeitspferd für die Landwirtschaft diente, und zum anderen der kleinere und leichtere Typ eines Zugpferdes, der die Fischmärkte belieferte. Hierzu begann der Transport meist in Boulogne-sur-Mer, einer kleinen Hafenstadt an der französischen Nordküste, die bis heute namensgebend für die Rasse ist. Rund um Boulogne-sur-Mer und die Stadt Calais erstreckt sich die gleichnamige Küstenregion Boulonnais.

In den vergangenen Jahren ist der Zuchtbestand des Boulonnais stabil geblieben. Im Jahr 2013 gab es 370 eingetragene Stuten, 41 aktive Deckhengste und 161 Zuchtbetriebe, die hauptsächlich im Norden Frankreichs, in den Departements Somme, Pas-de-Calais, Nord und Seine-Maritim, liegen. Etwa 1 Prozent der jährlichen Geburten französischer Zugpferde sind Fohlen der Rasse Boulonnais. Einige Zuchthengste haben das genetische Niveau deutlich geprägt und finden sich noch heute in den Blutlinien wieder, darunter der 1949 geborene Hengst Fréthun. Zu den Hengsten, die in den ersten drei Generationen des Stammbaums manifestiert sind, gehören Trésor (geboren 1963), Astérix (geboren 1966) und Prince (geboren 1981).

Der französische Zuchtverband, le Syndicat hippique Boulonnais, wurde im Jahr 1886 zur Erhaltung und Förderung der Rasse Boulonnais gegründet. Seit 2003 ist er vom französischen Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei als nationaler Rasseverband anerkannt.

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Wer züchtet Boulonnais?

Die meisten Züchter von Boulonnais sind in Frankreich vertreten. In Deutschland sind lediglich fünf Stuten und zwei Hengste im Zuchtverband für deutsche Pferde registriert.

Das Aussehen (Exterieur) des Boulonnais – ein elegantes Kaltblut

Der Boulonnais ist ein kräftig und imposant wirkendes Zugpferd mit aktiven und hervorragenden Gängen. Da er ebenso reinrassig wie edel und elegant erscheint, wird er auch gerne als Vollblut unter den Zugpferden bezeichnet. Die Rasse hat im Laufe ihrer Entwicklung im 17. Jahrhundert zwei Typen hervorgebracht, zum einen den Typ eines schweren Arbeitspferdes, der als Zug- und Lasttier in der Landwirtschaft unentbehrlich war. Zum anderen handelt es sich um einen kleineren Typ Boulonnais, der als Transportpferd Verwendung fand und übersetzt auch „Seefischhändler“ genannt wird, da er vor allem für die Belieferung von Fischmärkten mit frischem Fisch von der Küste eingesetzt wurde. Je nachdem, welchem Typ ein Boulonnais eher entspricht, variiert sein Stockmaß zwischen 155 und 180 Zentimetern und sein Gewicht zwischen 600 und 900 Kilogramm.

Der hochgetragene Kopf präsentiert sich mit leicht gewölbtem Profil, orientalischer Prägung, großen, hellen und lebhaften Augen voller Stolz sowie kleinen, vornehmen und geraden Ohren. Der Hals ist kräftig und gut bemuskelt, abgerundet von einer buschigen, aber feinen und eher kurzen Mähne, die das noble Erscheinungsbild noch zusätzlich unterstreicht. Rassetypisch sind eine geöffnete, tiefe Brust mit gut abgerundeten Rippen, eine voluminöse und muskulöse Kruppe, ein gut platzierter Widerrist und ein hoch angesetzter Schweif mit dichtem Langhaar.

Das Fundament zeichnet sich durch muskulöse, dicke und kurze Röhrbeine sowie muskulöse und starke Gelenke aus. Insgesamt zeigt sich der Boulonnais im Gleichgewicht trabend mit schräger Schulter, geradem Rücken und gut ausgerichtetem Hals. Hinsichtlich der Fellfärbung kommen meist Schimmel vor. Braune sind etwa zu 15 Prozent und Rappen noch seltener vertreten.

Entwickelt hat sich die meist helle Färbung als Schimmel durch eine entsprechende Selektion in der Zucht im 18. Jahrhundert. Bis dahin war das Fell des französischen Kaltbluts noch schwarz, ehe für den Einsatz als Transportpferd für Fisch vornehmlich helle Pferde gezüchtet wurden, die in der Nacht besser sichtbar waren. So veränderte sich die Fellfärbung allmählich von schwarz in Richtung grau-weiß – es kamen weniger Rappen und Braune, aber dafür mehr Schimmel vor. Ungeachtet dessen erscheint das Fell besonders seidig. Geboren werden die Fohlen typischerweise als Füchse und hellen dann allmählich mit zunehmendem Alter auf, bis sie vollkommen als perlmuttweißer Schimmel erscheinen.

Wie alt werden Boulonnais?

Boulonnais erreichen in der Regel ein Alter zwischen 20 und 35 Jahren.

Der Charakter (Interieur) des Boulonnais

Der Boulonnais verdankt den arabischen und spanischen Einkreuzungen bei Weitem nicht nur die Veredlung seines Äußeren. Diese großen und schweren Pferde sind echte Temperamentbündel und oftmals deutlich aktiver als andere Kaltblüter. Sie sind aufgeweckt und sehr intelligent. Das bedeutet im gleichen Zuge aber auch, dass sie manchmal etwas ungeduldig sein können und stets auf der Suche nach Abwechslung und Beschäftigung sind. Ihrer Umgebung begegnen sie mit großer Neugierde. Sie lieben kniffelige Aufgaben, bei der sie gleichermaßen Körper und Geist beschäftigen können. Dabei sind sie wesensfest und mutig, stark und ausdauernd. Mit ihrem Witz und ihrer Raffinesse strahlen sie einen ganz besonderen Charme aus, der es leicht macht, ihnen ihre sture Eigensinnigkeit ab und an zu verzeihen.

Die Rasse gilt allgemein als sehr frühreif und kann bereits in jungen Jahren echte Höchstleistungen erbringen.

Wie schwer wird ein Boulonnais?

Boulonnais wiegen zwischen 600 und 900 kg.

Besondere Merkmale und Erbkrankheiten der Boulonnais

In den Boulonnais verbindet sich die Stärke und Kraft der ursprünglichen Waldpferde mit der Anmut und Sensibilität der eingekreuzten Araber und Vollblüter. Das macht sie zu einer Pferderasse, die in vielen verschiedenen Disziplinen des Reitsports einsetzbar ist.

Von den Boulonnais Pferden gibt es nur eine sehr kleine Anzahl weltweit. Aus diesem Grund ist ein sehr konsequentes Zuchtmanagement notwendig, um Fälle von Inzucht und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere zu verhindern. Wenn man diese Rasse kaufen möchte, sollte man sehr genau auf den Inzuchtkoeffizienten COI achten. Bei Fragen dazu steht die Interessengemeinschaft Boulonnais in Deutschland zur Verfügung. Diese bietet sich bei der Suche nach dem passenden Boulonnais gerne als Unterstützung an.

Wie viel kostet ein Boulonnais?

Die Preise für einen Boulonnais beginnen bei ca. 2500€.

Eisatzgebiete des Boulonnais

Der Boulonnais ist ein hervorragendes Zug- und Showpferd, das als elegantes Kaltblut geschätzt wird und erfolgreich an Gespann-Wettbewerben teilnehmen kann. Im Bereich des Freizeitreiten bietet er sich insbesondere als Fahrpferd für Kutschen, aber auch für Ausritte im freien Gelände an.

Alle zwei Jahre wird gegen Ende September ein 24-Stunden-Ausdauerrennen veranstaltet, das auf der alten Fischroute von Boulogne-sur-Mer bis nach Paris führt. Bereits drei Mal, in den Jahren 1991, 2011 und 2003, konnte ein Boulonnais den Wettbewerb gewinnen.

Wofür ist ein Boulonnais geeignet?

Mit einem Boulonnais kann man in vielen Disziplinen starten. Besonders beliebt sind sie als Dressur- und Fahrpferde. Boulonnais sind allerdings keine Anfängerpferde.

Der Alltag mit einem Boulonnais

Haltung

Boulonnais sind echte Arbeitstiere und besitzen somit einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Die reine Instandhaltung kommt bei dieser Rasse folglich nicht infrage. Ein Aktivstall oder Offenstall kommt den Bedürfnissen des Boulonnais am nächsten. Wichtig ist, dass man bei der Wahl einer Box für diese raumgreifenden Pferde eine geeignete Größe auswählt. Standardboxen sind oftmals nicht geräumig genug und schmälern so das Wohlbefinden dieser freiheitsliebenden Pferde.

Erziehung

Die französischen Kaltblüter sind mit ihrer hohen Intelligenz und ihrer Eigensinnigkeit nicht unbedingt für Anfänger geeignet. Sie benötigen bereits im Fohlenalter eine ruhige und konsequente Erziehung. Mit ein wenig Geduld kann man mit ihm in sämtlichen Disziplinen tolle Erfolge erzielen. Als Dressurpferd macht der Boulonnais eine erstaunlich gute Figur. Mit seiner Kraft und Ausdauer wird er auch häufig als Fahrpferd eingesetzt. Wichtig ist es, dass man im Alltag mit einem Boulonnais kreativ bleibt und ihn abwechslungsreich gestaltet. Andernfalls kann man damit rechnen, dass er eigene Ideen entwickeln wird, um sich seine Langeweile zu vertreiben – nicht unbedingt zur Begeisterung seines Besitzers.

Wer sich einen Boulonnais kauft, der holt sich also ein echtes Charakterpferd in den Stall. Hat man jedoch sein Herz gewonnen, kann man sich auf einen treuen Begleiter freuen, der einem durch dick und dünn folgt.

Pflege

Der weiße Riese benötigt mit seinem hellen Fell und seiner dichten Mähne eine regelmäßige und gründliche Pflege. Er sollte möglichst jeden Tag gründlich geputzt und seine Mähne gebürstet werden.

Training

Wie bei der Erziehung braucht ein Boulonnais auch im Training viel Abwechslung, um nicht Gefahr zu laufen, dass er selbst die Gestalt des Trainings übernimmt. Routine und sich täglich wiederholende Übungen passen nicht zu dieser aufgeweckten, neugierigen Pferderasse. Ob wechselnde Lektionen, Stangen- und Geschicklichkeitsarbeit, lange Ausritte oder Longieren – das Kaltblut ist bei allem dabei, solange es nur nicht zu langweilig wird.

Bekannte Boulonnais

Einer der bekanntesten Boulonnais und Deutschland ist wohl Jumper, der dem ostfriesischen „Knochenbrecher“ Tamme Hanken gehörte.

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