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Para-Reiterin Regine Mispelkamp im Portrait

von Michelle Holtmeyer
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Dass Regine Mispelkamp zu den großen Namen des nationalen wie internationalen Para-Reitsports zählt, hat die Dressur-Reiterin bei den Paralympischen Sommerspiele 2021 in Tokio nun ein weiteres Mal unter Beweis gestellt: Am Montag, den 30.08.2021, holte die an Multipler Sklerose erkrankte Athletin mit ihrem Wallach Highlander Delight’s in der Einzel-Kür im Dressurreiten Bronze. Damit sicherte die 50-Jährige dem deutschen Reiter-Team das erste und bis dato einzige Edelmetall bei den paralympischen Spielen und machte ihr persönliches Debüt bei den Paralympics dadurch perfekt. In diesem Artikel erfährst Du alles über die beeindruckende Karriere von Regine Mispelkamp.

Regine Mispelkamp – So fing alles an

„Ich gebe mein ganzes Leben dafür“, beschreibt Regine Mispelkamp ihre Beziehung zum Reitsport, der sie schon ihr ganzes Leben lang begleitet. Mit drei Jahren begann sie zu reiten und sitzt seit ihrem siebten Lebensjahr fast täglich im Sattel. Schon mit 15 Jahren bestritt die gebürtige Baden-Württembergerin, die während ihrer gesamten Schulzeit von Paul Schockemöhle, Franke Sloothak und Ludger Beerbaum im Springen unterstützt und trainiert wurde, erfolgreich erste Turniere im Springreiten.

In Tokio konnte sich die Reiterin nun gleich zwei große sportliche Träume erfüllen: Ihre erste Teilnahme an den Paralympics und den Gewinn von Edelmetall in der Einzel-Kür im Dressurreiten. Mit ausgezeichneten 76,820 Prozentpunkten sicherte sich Mispelkamp mit ihrem neunjährigen Wallach Highlander Delight’s in der Startklasse Grade V hinter der Belgierin Michele George (80,590) und Frank Hosmar (80,240) aus den Niederlanden den dritten Platz in der Kür. In der Wettkampfklasse Grade V sind alle drei Grundgangarten gefordert, die Aufgaben sind mit denen der Dressur-Klassen M bis S im Regelsport vergleichbar.

Höchstes Reitniveau trotz Krankheit

Der überraschende Medaillensieg ist sowohl für die 50-Jährige als auch für den deutschen Reitsport ein großer Erfolg. Denn obwohl Mispelkamp schon seit ihrer Jugend im Reitsport hervorragende Leistungen erzielte, ist sie eine Newcomerin im Para-Sport, mit dem sie nach Bekanntgabe ihrer MS-Erkrankung erst 2018 offiziell begonnen hat. „Die Diagnose Multiple Sklerose war zunächst ein absoluter Schock für mich“, erzählt die zierliche Sportlerin. „Das Reiten gewann dadurch aber nur noch mehr an Bedeutung für mich. Denn sowohl mental als auch körperlich ist es eine hervorragende Therapie für mich.“

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„Die Medaille ist das Produkt meiner Arbeit, meines Ehrgeizes – und meines Vertrauens in dieses Pferd!“

Schon von Anfang an konnte Mispelkamp bei zahlreichen nationalen und internationalen Wettkämpfen beweisen, dass höchstes Reitniveau trotz gesundheitlicher Einschränkungen möglich ist. Bereits in ihrem ersten Jahr im Para-Sport errang die Trägerin des kombinierten goldenen Reitabzeichens 2018 den deutschen Meistertitel in Grade V in Berlin Werder, kurz darauf folgte die Bronze-Medaille bei den Weltreiterspielen in Tryon/North Carolina. Bei ihrem WM-Debüt 2019 sicherte sich die Wahl-Rheinländerin, die von Heel Veterinär (Traumeel ad us. vet.) gesponsert wird, die Bronze in der Einzelwertung. Im Juni desselben Jahres wurde die Reiterin dann zusammen mit ihrem Pferd „Look at me now“ zum zweiten Mal in Folge Deutsche Meisterin in der Para-Dressur.

Mit dem Herzenspferd zur Bestform

Dass der Traum von paralympischem Bronze nun wahr wurde, verdanke sie vor allem auch ihren langjährigen Trainerinnen Ulrike Nivelle und Silke Fütterer-Sommer. „Ulrike Nivelle war zudem die treibende Kraft, mich überhaupt im Para-Dressursport zu behaupten.“

Aber auch ihr Pferd Highlander Delight’s habe einen großen Anteil am Erfolg in Tokio, sagt die Medaillenträgerin, die neben ihrem Sport auch einen eigenen Turnier- und Ausbildungsstall im rheinischen Geldern betreibt. Obwohl das Nachwuchspferd „Light’s“, wie Mispelkamp den Wallach liebevoll nennt, in seinen jungen Jahren Schwächen in den Bewegungsabläufen zeigte, folgte sie ihrem Bauchgefühl und entschied sich für den Kauf des niederländischen Warmbluts. Das hat sie bis heute nicht bereut: Dank eines intensiven Koordinationstrainings und der gefühl- und vertrauensvollen Arbeit mit Mispelkamp wurde der Wallach schnell zum Herzenspferd der Reiterin – ein entscheidender Faktor für den Erfolg! „Denn gerade im Parasport ist eine enge, vertrauensvolle Bindung zwischen Pferd und Reiter absolut entscheidend, nur so kann man als Team erfolgreich sein.“ Dass sich Mispelkamp kurz vor ihrem Aufbruch nach Tokio dafür entschieden hat, mit Highlander Delight’s bei den Paralympics anzutreten, hat ihr der Wallach auf die bestmögliche Weise gedankt: Bei der Medaillenentscheidung meisterte er mit Bravour die Kür, bei der die Teilnehmer Linienführung, Schrittfolge und Musik selbst wählen konnten. „Dass Light’s sehr viel Temperament hat, hat er auch in der Kür mal wieder gezeigt“, sagt Mispelkamp lachend. „Zum Glück schätze ich aber gerade diese Herausforderung, mit einem energiegeladenen Pferd zu starten.“

Regina Mispelkamp mit ihrem Light’s in Tokio:

Regine Mispelkamp im Interview

Regine Mispelkamp erlebte bei den diesjährigen Paralympischen Sommerspielen in Tokio ihr persönliches Sommermärchen: Die an Multipler Sklerose erkrankte Athletin holte mit ihrem Wallach Highlander Delight’s in der Einzel-Kür im Dressurreiten die Bronze-Medaille und machte damit ihr Paralympics-Debüt perfekt. Was Regine Mispelkamp der Erfolg bedeutet, was dem deutschen Para-Reitsport fehlt und was die Zukunft bringt, verrät die 50-Jährige im Interview.

Frau Mispelkamp, Hand aufs Herz – haben Sie damit gerechnet, gleich bei Ihrer ersten Teilnahme bei den Paralympics mit einer Medaille im Gepäck nach Hause zu fahren?
Regine Mispelkamp: Damit gerechnet habe ich nicht – aber ich habe es erhofft und erträumt. Ich hatte die Konkurrenz natürlich im Blick, wusste, mit wem ich mich messen muss und meine Chancen von Platz eins bis fünf waren von vornherein realistisch. Ich finde, wir haben die Herausforderung gut gemeistert – und darauf bin ich auch sehr stolz!

Was bedeutet der Gewinn Ihrer Bronze-Medaille für Sie persönlich?

Regine Mispelkamp: Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Die Medaille ist das Produkt meiner Arbeit, meines Ehrgeizes und meines Vertrauens in dieses Pferd, das viele nicht hatten.

Hat Ihr Medaillen-Gewinn denn auch eine Bedeutung für den deutschen Para-Reitsport?
Regine Mispelkamp: Ich habe das Gefühl, dass der Para-Dressursport in Deutschland ein bisschen stehengeblieben ist. Man hat sich meiner Meinung nach etwas zu sehr auf den alten Erfolgen ausgeruht und dadurch gewissermaßen den Anschluss an andere Nationen verpasst. Es war deshalb auch in der Mannschaft klar, dass die Teilnahme in Tokio nicht zwingend zu einer Medaille führen wird. Das Pferdepotential und das Sponsoring, das in den anderen Nationen hinter dem Para-Dressursport steht, ist mit den Bedingungen in Deutschland überhaupt nicht zu vergleichen. Dass wir in Tokio trotzdem erfolgreich waren, hat hoffentlich den Ehrgeiz geweckt, dass eben doch etwas möglich ist für das deutsche Team.

Was ist Ihr persönliches Resümee der Paralympics in Tokio?
Regine Mispelkamp: Ich habe unheimlich viel Respekt vor allen Sportlern, die ich in Tokio erleben durfte, egal in welcher Disziplin. Diesen Lebenswillen und diese unglaubliche Leistungsbereitschaft zu sehen und zu spüren – davor ziehe ich wirklich meinen Hut!

Welchen Anteil trägt Ihr „Herzenspferd“ Highlander Delight’s am Medaillen-Gewinn?
Regine Mispelkamp: Bei Light’s liegt wohl der größte Anteil – allein schon durch seine unglaubliche Bereitschaft, sich im ersten Jahr körperlich extrem weiterzuentwickeln. Er konnte zu Anfang nicht wirklich gut traben, war unkoordiniert und muskulär nicht gut aufgestellt. Er hat sich aber hochmotiviert auf das Training eingelassen und vertraut mir voll und ganz. Er ist zwar manchmal ein bisschen frech, aber wenn ich sage „Stopp, hier ist die Grenze!“, akzeptiert er das und ist sofort ganz bei mir. Ich genieße es sehr, ihn zu reiten, weil er mich so nah an sich heranlässt. Und das ist auch entscheidend, um nach außen hin diese Harmonie auszustrahlen zu können.

Mit welchen Eigenschaften würden Sie Light’s beschreiben?
Regine Mispelkamp: Wenn er ein Mensch wäre, wäre er sehr eingebildet – er weiß, dass er schön ist, aber schön sein alleine reicht eben nicht (lacht). Er passt sehr gut auf sich auf und nimmt sich, was er braucht. Und zum Glück kann ich sagen: Er hat die Paralympics genauso genossen wie ich.

Hat die Bindung zwischen Pferd und Reiter im Para-Sport eine spezielle Bedeutung?
Regine Mispelkamp: Für den gesamten Reitsport gilt: Wenn die Verbindung zwischen Pferd und Reiter nicht da ist, kann auch kein gutes Ergebnis herauskommen. Im Parasport brauchen die Pferde aber glaube ich noch einen gewissen Grad mehr an Sensibilität und das Bewusstsein, auf den Reiter aufpassen zu müssen. Insbesondere in den kleinen Grades, in denen die Reiter stark beeinträchtigt sind. in den kleinen Grades. Das erfordert ein unheimlich charakterstarkes und in sich gefestigtes Pferd. Aber das schadet im Regelsport ja auch nicht.

Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Regine Mispelkamp: Ganz sicher mein eigener Anspruch an mich, Leistung zu bringen – immer in dem Maße, in dem es mein Körper gerade zulässt. Und auch meine Willensstärke und meine Freude am Umgang mit den Pferden. Natürlich aber auch ein großes Gesundheitsbewusstsein, sowohl bei den Pferden als auch bei mir selbst. Deshalb passt mein Sponsor, das Unternehmen Heel Veterinär, auch so gut zu mir. Ich schwöre bei meiner eigenen Therapie auf die biologischen Arzneimittel und setze sie deshalb auch bei meinen Pferden sehr gerne ein. Traumeel ad us. vet. ist zum Beispiel fixer Bestandteil meiner Stallapotheke und immer sofort zur Hand, wenn ein Muskel schmerzt oder es einen kleinen Unfall gegeben hat.

Welche Ziele haben Sie für die Zukunft – sportlich und persönlich?
Regine Mispelkamp: Im Winter geht die Ausbildung mit Light’s bis Grand Prix de Dressage weiter. Zudem habe ich noch ein weiteres Pferd, das ab nächstem Jahr die Tour mit Lights mitgehen soll. Außerdem stehen die Weltmeisterschaft in Herning an und natürlich die Paralympics in Paris 2024 und 2028 in Los Angeles – zeitlich ist also alles ziemlich durchgeplant. Für mich persönlich hoffe ich vor allem, dass ich mich weiterhin so fit halten kann, wie ich es gerade bin.

Welchen Rat möchten Sie anderen Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung mit auf den Weg geben?
Regine Mispelkamp: Jeder einzelne sollte in sich hineinhören, was seine Erfüllung ist und ihr freien Lauf lassen, anstatt sich von einer Diagnose ausbremsen zu lassen. Ich glaube, dass man den ersten Schlag einer Diagnose besser verkraftet, wenn man sich Ziele setzt. Auch wenn man körperlich eingeschränkt ist, gibt so viele wunderbare Dinge zu entdecken und zu erleben. Und genau dazu möchte ich Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung motivieren.

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