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Fairness im Reitsport – bin vielleicht doch ich schuld?

von Ann-Christin Villnow
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Jeder von uns kennt sie: Diese Tage, an denen nichts klappen will, Pferd und Reiter nicht zueinander finden, Lektionen, die eigentlich sicher sitzen, sich nicht abrufen lassen und irgendwie die Leichtigkeit und das richtige Verständnis fehlen. Das kann zuhause im täglichen Training passieren, auf einem Turnier, bei einem Ausritt. Es „läuft“ einfach nicht. Dabei ist man hochmotiviert und konzentriert bei der Sache und macht doch alles richtig. Und wessen Schuld ist es nun, dass nichts richtig gelingen will? Meine? Niemals! Die meines Pferd? Muss es ja sein, ich mach doch alles richtig. Der Gaul hat heute einfach keine Lust. Aber nicht mit mir! Jetzt erst recht! Das klappt jetzt gefälligst! Los geht’s!

Doch nur diese eine Stunde am Tag …

So oder so ähnlich muss es in den Köpfen einiger Reiter ablaufen, das Drama um die Fehlersuche und die Schuldzuweisung. Da wird im Sattel gegrummelt, gemault, geruckelt, getreten und beschimpft, was das Zeug hält – schließlich hat der Zosse zu gehorchen, seine Leistung zu bringen, sich zusammenzureißen.

Zumindest für diese eine Stunde am Tag. Er kann doch danach wieder seine Ruhe haben! Jetzt soll er gefälligst springen, alle Stangen liegen lassen, nicht verweigern und Schnellster sein. Oder durch die Dressuraufgabe schnuren, alle Wechsel sicher durchspringen, in der Verstärkung die Lampen austreten, sich nirgendwo festglotzen und dabei gut zu sitzen sein. Harter Einsatz von Gerte, Sporen, Hilfszügel, schärferen Gebissen, Reaktionen wie Riegeln, Vollbremsungen oder Draufhauen – was man manches Mal im täglichen Training, auf den Abreiteplätzen der Turniere oder auch innerhalb einer Prüfung zu sehen bekommt, lässt einem den Atem stocken. Und es stellt sich die Frage:

Ist das noch fair?

Behandelt man so seinen Sportpartner, wohlgemerkt nicht den Tennisschläger, den Fußballschuh oder die Langhantel, sondern ein Lebewesen, ein Tier, unseren Freund? Ja, es gibt Tage, an denen das Zusammenspiel zwischen Pferd und Reiter nicht klappen will – weil der Reiter einen schlechten Tag hat, abgespannt von der Arbeit, der Schule oder der Ausbildung ist, Stress mit Freund oder Freundin hat, sich gesundheitlich nicht wohl fühlt oder einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden ist.

Genauso gibt es Tage, an denen unsere Pferde nicht so richtig auf der Höhe sind, beispielsweise weil das Wetter sich mehr oder weniger stark verändert hat, der Fellwechsel oder die Rossigkeit anstehen, gestern auf der Koppel ein Stolpern den Rücken zum Zwicken gebracht hat, oder das Eisen schief sitzt. Es gibt unzählige Faktoren, die dazu führen können, dass sowohl Reiter als auch Pferd keine Bestleistungen vollbringen können – und die wenigsten davon sind absichtlich oder gar böswillig zu verstehen. Statt verärgert oder aggressiv zu reagieren, wäre die Frage nach der Ursache angebracht: Warum klappt es heute nicht? Was läuft falsch? Wo „hakt“ es?

 

Fehler suchen und Fehler beheben heißt die Devise

Ich habe in meiner reiterlichen Ausbildung gelernt, den Fehler immer zuerst bei mir zu suchen. Denn leider ist häufig derjenige IM Sattel das eigentliche Problem und nicht derjenige UNTER dem Sattel. Selbst wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als ob unsere Pferde uns einfach aus akuter Unlust oder mit Absicht den Dienst versagen.

Eine solche Fehlersuche bei sich selbst erfordert Ehrlichkeit und Mut, ist nicht einfach und tut manches Mal auch weh. Denn eigene Fehler und Unzulänglichkeiten zu erkennen und zuzugeben fällt nicht leicht. Leider scheinen viele Reiter den Fehler jedoch zunächst bei ihrem Pferd zu suchen. Und weigern sich, einen  kritischen Blick auf die eigenen Fähigkeiten und Befindlichkeiten zu werfen. Stattdessen wird, wie oben bereits beschrieben, ziemlich rabiat und zum Teil gar mit grober Gewalt reagiert –  was weder erfolgsversprechend noch fair erscheint. Besonders im Turniersport gehen die Reiter heutzutage nicht nur untereinander immer neidzerfressener und respektloser miteinander um, sondern auch der Umgang mit dem Partner Pferd leidet. Es zählen Ergebnisse, Erfolge, Platzierungen. Fairness wird überbewertet, sowohl gegenüber anderen Reitern, als auch gegenüber dem eigenen Pferd. Aber auch daheim im eigenen Stall häufen sich unschöne Bilder von fragwürdigen Trainingseinheiten und unfairem Umgang.

Aber Fairness im Reitsport kann gar nicht überbewertet werden

Sicherlich reagiert jeder Einzelne von uns nicht immer angemessen und manches Mal zu hart oder ungerecht. Das geht mir nicht anders, wenn mein Pferd erneut beim Schenkelweichen nach rechts die Vorwärtstendenz vergisst oder beim Galoppwechsel wiederholt im Kreuzgalopp landet. Man ist genervt, gereizt, gestresst und enttäuscht und reagiert viel vehementer, als es eigentlich angebracht wäre. Niemand ist perfekt und Fehler sind menschlich. Doch wer anschließend ebenso vehement weiterreitet, sich nicht selbstkritisch den Spiegel vorhält und die Suche nach der Ursache der Probleme unterlässt, der verliert schnell den Blick für die notwendige Fairness gegenüber dem Partner Pferd.

Ich würde mir wünschen, dass mehr Reiter den Spiegel der Reithalle nicht zur Begutachtung des neuen Outfits oder der glitzernden Reitkappe nutzen. Sondern um einen (selbst)kritischen Blick auf die eigene Leistung zu werfen. Und mögliche Fehler und Probleme zu erkennen und zu beheben. Auf eine faire Art und Weise, im Einklang mit unserem Partner Pferd. Denn schlussendlich lebt unser Sport von der Verbindung und der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Pferd, von einem vertrauensvollen Umgang miteinander. Und von Fairness, sich selbst und seinem Partner gegenüber.

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1 Kommentar

Nadine 31. Mai 2016 - 17:46

Super Beitrag, lässt einen wirklich Nachdenken. Werde versuchen in Zukunft bei einer misslungenen Lektion den Fehler bei mir zu suchen und lieber einmal mehr die Zügel aus der Hand kauen lassen!

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