So schnell geht es: Das Pferd wird in den Stall geführt, erschreckt sich, springt zur Seite und schlägt mit dem Bein gegen den Aufhänger der Bodenbefestigung der Tür und Rums: Äußere und tiefe Beugesehne massiv verletzt. In vielen weiteren Fällen entsteht ein Sehnenschaden beim Pferd durch fehlerhaftes Reiten und Ausbilden, durch zu frühe und falsche Belastung, durch Fehler bei der Hufbearbeitung und beim Beschlagen.
Die Vorstellung für einen Sehnenschaden ist der Horror eines jeden Pferdebesitzers oder Reiters. Oftmals stehen die Pferde danach über viele Monate und tragen dauerhafte Schädigungen und Vernarbungen an der tiefen- und oberflächlichen Beugesehne davon. Auch die Flüssigkeitsansammlungen gehen oft nicht ganz zurück. Viele Pferde sind aber glücklicherweise absolut schmerz- und lahmfrei und auch nach Belastung wird die Flüssigkeitsansammlung nicht mehr, die Sehne nicht warm oder gar druckempfindlich. Für den größeren Sport ist ein Pferd mit einem solchen Schaden jedoch nicht mehr einsetzbar.
Sicherlich muss man dann Abstriche machen. Baut man es aber richtig auf, kann das Pferd mit dem ‚Problem‘ gut leben und kann – macht man es richtig und lässt sich Zeit – damit auch wunderbar ohne Beeinträchtigung leben und geritten werden. Für einen Grand Prix kann man jetzt nicht mehr trainieren, aber für gut gerittenen Lektionen auch bis auf S-Niveau, einen richtig flotten Galopp im Gelände und Versammlung bis zu einem gewissen Grad kann man sein Pferd bei einem normalen Sehnenschaden immer wieder aufbauen. Man sollte allerdings vom Tierarzt eine Prognose haben, damit man ungefähr einschätzen kann, wo die Grenzen sind.
Horrordiagnose Sehnenschaden beim Pferd – und dann?
Nachdem ich diese Prognose verdaut hatte, fangen viele Pferdebesitzer an, die Vierbeiner vorsichtig wieder aufzubauen. Im Hinterkopf hat man erst einmal immer die Angst, dass man etwas falsch machen könnte, zu viel machen könnte oder sich das Pferd auf der Weide verletzten könnte. Alle diese negativen Gedanken sollte man versuchen zur Seite zu schieben. Damit hört man nämlich auf zu Reiten, denn vor lauter Vorsicht, gymanstiziert man sein Pferd nicht, hält das Hinterbein nicht aktiv und reitet nicht mehr ausreichend fleißig vorwärts, so dass die Muskeln nicht mehr richtig arbeiten müssen. Dadurch wird das Pferd steif. In der Folge lässt sich das Pferd nicht mehr los, verspannt sich vermehrt und belastet dadurch einzelne Strukturen und damit auch die Sehne durch die Verspannungen falsch. So kommt der nächste Schaden bestimmt.
Also muss man versuchen, seine eigenen Ängste zur Seite zu schieben und den Körper durch die richtige Bewegung unterstützen. Wenn man die Sehne dann nach jedem Reiten kontrolliert und sein eigenes Reiten reflektiert, kann man mit der Zeit sehr gut einschätzen, was man seinem Pferd zumuten kann. Solange die Sehne nicht dick oder warm wird, das Pferd nicht schmerzempfindlich ist oder gar lahm geht, ist im Allgemeinen alles in Ordnung und man kann sein Pensum beibehalten und im Laufe der Zeit langsam steigern.
Sehnenverletzung beim Pferd – Das ist wichtig zu wissen
Wichtig zu wissen ist, dass die Sehne erst wieder beweglicher und belastbarer – sprich dehnbar – werden muss nach einer krankheitsbedingten Pause. Im Vergleich zu einem Muskel ist die Sehne nur in einem geringen Umfang dehnbar. Man spricht von 10%. Im Galopp wird die Sehne weitaus mehr belastet als im Trab oder im Schritt.
Je nach Art und Ausmaß der Sehnenschadens kann es also auch sinnvoll sein, seinem Pferd noch einige schöne Jahre auf der Weide zu bieten und auf das Reiten zu verzichten. Bei einem Sehnenabriss heilt die Sehne zwar meist wieder irgendwie zusammen, aber die Vernarbung kann dabei extrem groß sein, so dass die Dehnbarkeit der Sehne in Gänze stark eingeschränkt ist. Dann kann es schnell zu einer neuerlichen Schädigung an anderer Stelle der Sehne kommen. So wird der Bereich der Vernarbung immer größer und die Belastbarkeit der Sehne nimmt systematisch ab. Das gleiche gilt auch bei mehreren Sehnenschäden nacheinander. Sprich: Schaden, Heilung, Schaden, Heilung. Bei einem solchen Krankheitsverlauf sollte man darüber nachdenken, das Pferd nicht mehr zu arbeiten. Vielleicht auch einfach nur noch mit ihm spazieren zu gehen und es verwöhnen. Je nach Ausmaß der Schädigung kann es sein, dass das Pferd dauerhaft Schmerzen hat und immer wieder lahm ist. Ich denke immer, man sollte das dem Pferd ersparen.
Begleitende Maßnahmen bei Sehnenverletzungen
Da durch eine Sehnenverletzung und durch die damit verbunden Schmerzen das Pferd seinen Bewegungsablauf verändert, führt das an andere Stelle zu Verspannungen und zu Ausweichbewegungen. Dadurch können wiederum Verspannungen oder Blockaden und Bewegungseinschränkungen entstehen. Damit diese Bewegungseinschränkungen keine weiteren Folgen haben, hilft Massage und die Behandlungen durch einen guten Osteotherapeuten. Der Therapeut stellt die Beweglichkeit wieder her und die Massage sorgt dafür, dass sich Verspannungen nicht wieder sofort einstellen können und so erneute Bewegungseinschränkungen vermieden werden können.
Bei Sehnenschäden im Bereich der Vorderbeine beispielsweise kommt es immer auch zu einer vermehrten Belastung der Muskulatur des Oberarms. Das kann sich dann auch bis zur Schulterpartie ausdehnen und den gesamten Körper des Pferdes belasten. Die Massage kann dann helfen, die Muskeln locker zu halten und die Durchblutung zu unterstützen.
Nach dem Sehnenschaden – Der Aufbau beginnt
Wann der Aufbau wieder beginnen kann, sollte immer mit dem Tierarzt abgestimmt werden.
Wenn Pferde lange gestanden haben, sind sie – auch wenn sie trotz Sehnenschaden immer auf der Weide waren – nicht selten ziemlich sportlich. Wenn man dann als Aufbau die Aufgabe hat, im Schritt ins Gelände zu gehen und auf harten Wegen zu reiten, ist das nicht immer so einfach umzusetzen.
Die ersten Tage kannst Du Schritt am langen Zügel reiten und dabei Handwechsel auf geraden Linien. Damit erreicht man, dass die Pferde den Hals fallen lassen und Zügel aus der Hand kauen lassen geht. Danach kann das Training dann nach und nach, natürlich in Absprache mit dem Tierarzt Deines Vertrauens, wieder langsam aufgebaut werden.
Wichtig ist, dass sich die Pferde beim Reiten immer loslassen und den Rücken hergeben. Wenn sie sich loslassen, kommt es zu keinen Verspannungen und damit nicht zu Fehlbelastungen. Wenn man das erreicht, kann man die Anforderungen langsam steigern.
Mit der Zeit sollte man dann wieder zu einer Verbesserung der Rippengschmeidigkeit kommen. Das bedeutet, große gebogene Linien, große Schlangenlinien und die große Acht. Auf engerer Wendungen wird man je nach Schwere der Schädigung für die Zukunft ganz verzichten müssen. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass es bei einer solchen Vorschädigung nicht mehr um den nächsten Grand Prix geht, sondern darum, dass das Pferd mit diesem Problem schmerzfrei alt werden kann und es zu keinen weiteren Schwierigkeiten kommt
Bei einem gesundheitlich belasteten Pferd ist es noch wichtiger, dass alles aufeinander abgestimmt ist. Aus diesem Grund muss auch der Beschlag unterstützend ausgebaut sein.
Auch der Hufbeschlag muss passen
Man sieht es heute vielfach, dass die Pferde eine sehr lange Zehe haben und im Trachtenbereich zu tief stehen. Die Pferde stehen dann rückständig. Das führt zu einer vermehrten Belastung des gesamten Sehnenapparates. Es ist unverzichtbar, dass der Hufschmied das Pferd so stellt, dass es zu keiner zusätzlichen Belastung kommt. Ein dauerhafter Zug auf die Sehne ist auch für ein gesundes Pferd schädlich. Für einen Pferd mit Sehnenschaden kann es das frühzeitige Aus bedeuten.
Sehnenschaden beim Pferd – Das solltest Du nicht tun
Man sieht es oft, dass Pferde zum Aufbau erst einmal über einen längeren Zeitraum longiert werden. Das ist nicht zu empfehlen, denn erstens ist die Wendung an der Longe zu eng und somit die Belastung auf die Sehne zu groß und zweitens kann man unkontrolliertes Bocken, Stoppen und Gasgeben nicht vermeiden.
Auch auf Springen und in der Anfangszeit Stangenarbeit sollte man verzichten. Die Belastung auf die Sehne ist zu groß.
Reiten ohne Gebiss, Longieren mit Kappzaum oder am Halfter machen die Situation zusätzlich schwierig, da die Pferde dann den Rücken nicht hergeben und das Gebiss nicht annehmen können. Dazu gibt es ja unterschiedliche Ansichten, aber wenn man die Grundlagen der funktionellen Anatomie zugrunde legt, funktionieren alternative Wege nicht!
So ein Vorfall ist immer eine ganz schlimme Nachricht und man ist froh, wenn man eines Tages wieder überhaupt Reiten kann, auch wenn es von einem viel Zurückhaltung fordert, es langsam anzugehen. Ich finde die Unterstützung mit Blutegeln ebenfalls sehr gut, sowie Präparate zum füttern, die grade im akuten Geschehen, die Heilung unterstützen können.
Gut geschriebener Artikel. Meiner hatte auch einen Sehnenschaden, selbstbzugefügt. Ich hab auf mein Gefühl gehört beim Auf die Weide lassen. Er ist nun mal ein flippiges Pferd, der wär in der Boxe ausgeflippt. Uns haben Blutegel sehr geholfen und es hat einfach viel länger als erwartet gedauert, bis ich das Gefühl hatte, das jetzt alles wieder gut ist.